So ziemlich genau drei Wochen ist es her, das ich zusammen mit Nicole unterwegs war zum Start meines zweiten Halbmarathons beim HAJ Marathon. Wie ihr im letzten Beitrag schon lesen konnte: Die Vorbereitung war eher supoptimal.
Freitag, 17. April 2015
Ich stieg in den Zug nach Hannover. Aber nur, weil ich es Nicole verprochen hatte. Vorfreude? Auf den Lauf? Nö. Eher so das Gefühl “muss ja, hast ja Zug und Startgeld bezahlt” Die Aussicht, Nicole und Anne zu treffen stimmte mich dafür heiter und allein deswegen schlich sich gute Laune in mein Gemüt.
Den Nachmittag verbrachte ich dann mit gemütlichem Kaffee trinken in der Markthalle, Startunterlagen abholen, Gemüsepfanne servieren lassen und tatsächlich ganz früh ins Bett – aber vorher genoß ich noch die Badewanne im Gästehaus.
Ach, und den blaue Strich, der die Optimallinie der Strecke darstellt, hab ich auch gefunden.
Samstag, 18. April 2015
Meine Gastgeberin musste arbeiten, ich schlenderte in die Stadt, machte eine etwas längere Ingress- und Sightseeingtour durch Hannover … der Ausflug wurde deutlich länger als geplant: falsche Schuhe getragen, abends platte Füße.
Ein kurzer Ausflug zu Decathlon war auch drin – tatsächlich fand ich dort eine neue Laufhose, die als Kompressionsware gekennzeichnet und kurz ist. Volles Risiko: gekauft und für den Lauf eingeplant.
Statt am Abend zur Pasta-Party zu gehen fanden wir uns im Mezzo ein und genossen ein opulentes Mahl auf der Straßenterrasse. Die Linsensuppe war einfach lecker, der vegane Burger richtig klasse. Doch schnell wurde es frisch… und wir wollten nur noch ins Bett.
>br>Noch fix alles für morgen früh rausgelegt. Wie wird das Wetter? Kurz oder lang? Rot oder orange? Und ja, ein zweites Wannenbad gönnte ich mir auch. Man merkt, das wir daheim keine Badewanne haben, gell?
Die zweite Nachte mit Katze und Hund im Haus = 4 Ceterizin. Einschlaf- oder Durschlafprobleme hatte ich keine.
Sonntag, 19. April 2015
Sonntag früh. Joa. dann muss ich mich wohl aufraffen, gell? Der Himmel ist grau, leichter Wind und Temperaturen um 10 Grad: Optimales Wetter.
Zwei Toast mit Erdnussbutter und Banane, eine größe Schüssel Matcha Latte, nochmal das Örtchen aufsuchen und los gings zur S-Bahn. Der große Rucksack wurde im Schließfach am Bahnhof eingeschlossen, Nicole und ich schlenderten rüber zum Rathaus – Start und Ziel für alle Läufe dieser Veranstaltung – und aus grau und frisch (yeah, optimal!) wurde … sonnig und frisch (gut fürs Gemüt).
Am Messezelt ein kleiner Fototermin mit der Hannover-Laufgruppe. Es wurde immer wärmer. Nach kurzem überlegen zog ich noch fix das Fuktionshemdchen drunter aus. Und wohin jetzt mit dem Beutel? Am Rand de Geländes standen große Container – jeder Container für ein festgelegtes Startnummernkontingent. Wow. Das kannte ich noch nicht. Gefällt mir aber echt gut.
Nun nochmal kurz aufs Dixi, dann ab an den Start. Alle Läufer, die bei der Anmeldung eine Zielzeit über 2:00 Stunden oder gar keine Zeit angaben, fanden sich in Startblock D wieder.
Somit starteten Nicole (2:20:) und ich gemeinsam. Wir hatten abgesprochen: erst mal zusammen laufen, dann gucken wie wir drauf sind um gegebenenfalls die Strategie anzupassen und die andere ziehen zu lassen.
Huch! Da war er schon – der Startschuß.
Irgendwie verspürte ich null Aufregung. Es war voll – also genau richtig, um auf den dersten Meter nicht gleich extrem zu schnell loszurennen. Immernoch traute ich mir eine gemütliche Zeit von 2:45-2:50 h zu.
Ich bin ja einige Zeit in Hannover zur Schule gegangen und hab auch meine Ausbildung dort gemacht. Aber auf der ganzen Strecke entdecke ich Ecken, in denen ich noch nie vorher war oder dachte “Wow! Hier hat sich ja nix verändert!”
Somit vergingen die ersten 5 km wie im Flug: vorbei an der Halle, zu der wir in der Berufsschule zum Schulsport mussten – inklusive der Erinnerung, wie dämlich ich diesen empfand und wie weit der Weg mit schien von der Schule zu Halle. Das mag knapp ein Kilometer sein – und heute renn ich hier freiwillig, und zwar deutlich mehr.
Dank des tollen Wetters war an fast jeder Ecke ein Grüppchen Zuschauer, welches die Läufer anfeuerten. Tolle stimmung, gutes Wetter (fast schon zu warm) und am plaudern. Ich hatte mir vorgenommen, eine Pace von 7:40 zu laufen – von Anfang an und dann bis zum Ende. Da wäre ich in Sicherheit, das kann ich. Mit Nicole geplaudert, immer mal wieder auf die Uhr geschaut … 6:50, 7:10, … alles viel zu schnell, viel viel zu schnell! … aber es fühlte sich gut an. Somit die sorgenvollen Gedanken von wegen “das hälst du nicht bis zum Ende, langsamer als letztes Mal wäre so dämlich!” weggeschoben und dann nur noch nach Gefühl gelaufen. Wir diskutierten noch, ob wir die erste Versorgungsstelle auslassen sollten – so früh wartete sie auf uns. Doch von der Seite kam dann ein Einwurf “Nehmt alles mit, das wird noch wärmer heute!”
Gefühlt war an jeder Ecke eine Verpflegungs- oder Erfrischungsstelle. Jede hab ich genutzt und auch gebraucht. Becher nehmen, ein paar Schritte gehen, in Ruhe den Pappbecher (hej, das war das erste mal, das ich bei einer Veranstaltung Pappbecher bekam, das war super! Und auch, das fast kaum Becher auf der Strecke lagen, weil immer wieder gekehrt wurde und am Ende der Verpflegungsstelle große Container standen, gefällt mir) , das Wasser getrunken, weiter gings.
Bei Kilometer 9 dann: Hunger! He, warum so früh? Warum mitten vor der Oper? Wohlweisslich hatte ich Datteln dabei. Nur das rausfummeln aus der Gürteltasche – das muss ich wohl noch optmieren. An dieser Verpflegungsstelle trank ich erst und aß danach die Dattel. Und ärgerte mich ein paar hundert Meter lang über verdammt klebrige Finger.
… es lief … rund …
Vorbei am Hauptbahnhof, durch die List … immernoch gab es überall Menschen, die am Straßenrand Party machten und anfeuerten. Kinderhände wollten abgeklatscht werden. Zunächst fand ich das etwas befremdlich – warum soll ich wildfremde Kinderhände abklatschen. Aber als ich sah, wie sehr sie sich darüber freuten – reihte auch ich mich ein – und freute mich mit den Kindern.
Kurz nach der Verpflegungsstelle 10, bei ca. Kilometer 16 ging es meiner Begleitung nicht mehr ganz so gut. Wir wurden ein bisschen langsamer. Wir bogen um die Ecke, liefen auf der letzten langen Geraden am Georgengarten vorbei. “Und hier denkt man, ach da vorn ist gleich das Ziel – doch da kommt noch ein Kringel dazwischen” . Auf halber Höhe noch ein Erfrischungspunkt – Wasser, Cola, Apfelschorle… ich blieb bei Wasser und meiner Dattel. Noch immer lief es bei mir einfach rund, ohne Schmerzen, ohne moralische tiefs. Die Stimmung am Straßenrand, die Sonne – alles trug dazu bei, gar nicht erst schlechte Gedanken aufkommen zu lassen. Für ein breites Lächeln sorgte der privat organisierte Stand gegenüber: tatsächlich gab es Bier – mit 4,9%. Hätte ich mich dafür entschieden, ich wäre wohl zusammengebrochen. Aber lustig fand ich es allemal. Soweit ich weiß, gab es dann auch den ein oder anderen, der beherzt zugriff.
Um Kilometer 18 rum hörte ich von Nicole “Dieses Mal biste viel fitter als im September, jetzt ziehst du mich!”. Machte mich tatsächlich ein bisschen stolz – und besorgt. Denn kurz darauf kam “Lauf alleine weiter, ich muss langsamer machen.”
Kennt ihr das Dilemma?
Ihr seid die ganze Strecke gemeinsam gelaufen. Habt vorher – natürlich – abgesprochen, was ist, wenn … trotzdem: wenn der Punkt kommt… fühlt es sich seltsam an. Zu hören “Lauf! Ich komme schon zurecht!” und innerlich denkst du “Ich bin gut dabei, es macht Spaß, es läuft einfach – und jetzt geht es ihr nicht wirklich gut, kann ich sie da stehen lassen?” Engelchen und Teufelchen – und dann egoistisch zu entscheiden: ich laufe weiter. Kurz “Meinst du wirklich? Kommst du zurecht? Danke!”
Jetzt musste ich allein da durch … ein bisschen Schiß hatte ich schon. Keiner mehr da, der sich mit mir über das nervtötende weibliche Duo hinter mir unterhält. “Komm, stell dich nicht so an, du kannst jetzt nicht stehen bleiben!” “Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende!” “Wie sieht das denn aus, jetzt gehen?” … So ein Paar über mehrere Kilometer hinter sich und du denkst: “Nur weg hier. Ich hätte die Alte schon längst umgebracht!” Leider war viel schneller laufen nicht drin, denn dann hätte ich das Ziel nicht heile erreicht.
Der letzte Verpflegungspunkt kam – meine letzte Dattel wurde gelutscht, zwei Becher Wasser getrunken… keine drei Kilometer mehr. Drei Kilometer? Das schaffste doch mit Links! Das ist doch keine Strecke!
So langsam kam der Tunnel
… grinsend, leicht … alles um mich rum war schön, aufregend, anspornend…
Nervig war dann zum Schluß die Engstelle, wo die Staffeln auf ihre Schlußläufer warteten und sich immer mehr in die Mitte der Strecke stellten um zu sehen, wo ihr Mann/ihre Frau blieb.Verständlich – aber mich machte diese Enge ganz schön fertig… zu diesem Zeitpunkt war mir diese Art Nähe einfach viel zu viel.
Bei Kilometer 20 dann der “Leichtsinn” … ein bisschen schneller muss doch noch drin sein… Endspurt! Das ging gut bis 300 m vorm Ziel … puh… das waren die längsten 300 m meines Lebens …jedes Schild mit “nur noch xxx Meter” machte mich nervös… “Wie, so lang noch? Das waren gerade doch sicher mehr als 100 m!”
Helene Fischers “Atemlos” kurz vorm Ziel machte das Laufen nicht wirklich leichter. Dennoch bekam ich das Grinsen nicht aus dem Gesicht. Ich wusste, ich bin gut dabei.
Die Rechnerei bezüglich der Zielzeit unterwegs hab ich mir gespart . Hin und wieder auf die Pace geguckt … oh Schreck, viel zu schnell! 7:40 war der Plan …
Da! Das Ziel!
Ich blieb ganz brav auf der blauen Linie, Schritt für Schritt… nur noch vorwärts und ankommen. Durch den Torbogen… kurzer Blick auf die große Uhr 2:4xx:xx … “oh wow, dann muss ich unter 2:40 sein (waren ja im letzten Startblock)”… um die Ecke und dann “Aus, vorbei. Du bist im Ziel und es war gut. Es hat Spaß gemacht und nicht einmal der Gedanke: Warum tust du dir das an?”
Ich wartete auf Nicole… wo bleibt sie? Wie geht es ihr? Wusstet ihr, WIE lang fünf Minuten sein können? Als sie endlich vor mir auftauchte, fiel dann auch der letzte Stein vom Herzen und ich konnte das Ergebnis richtig genießen.
Offiziell sind es 2:39:08
Meine Anmeldung für nächstes Jahr ist raus. Am 10.04.2016 komme ich wieder zum Halbmarathon nach Hannover.
Danke
Danke mag ich allen sagen, dir mir Zeit und Zuversicht schenken, damit ich überhaupt laufen kann…
- meiner Familie, meinen Freunde und Tina.
- allen virtuellen Freunden – ob Turtlerunner, Laufen in NRW, Motivation ist alles wir packens!
- allen, die meine Einträge bei Instagram kommentieren und auch selbst zum Anlass nehmen, loszulaufen.
Hallo!
Ich bin eine von denen, die Dir still folgen und die Du mit Deinen Fotos und Berichten animierst. Ich gehe heute laufen und sage Dir *Dankeschön*, weil Du ein Teil meiner Motivation bist
Liebe Grüße,
Iris
Super Minerva, das hast du schön geschrieben und in Gedanken lief ich schon mit:-) Deine Leistung war mehr wert als du es beschrieben hast, bleib weiter dran und bitte noch mehr von solchen Laufberichten. wünsche dir weiter gutes Gelingen. GLG willi